Als ehemaliger Hobby-Skirennfahrer habe ich die Zeit immer am meisten geliebt. Schönes und sonniges Wetter zieht einen nochmal auf den Berg, um die letzten Tage auf der Skipiste zu nutzen.
Mehrere 100 Millionen Menschen genießen den populärsten Wintersport jährlich!
In den letzten Jahren kamen auch viele Erneuerungen in der Skitechnik dazu, die es für Begeisterte noch interessanter gemacht hat und einen schnittigen Fahrstil erlauben.
Aber Achtung - beim Skifahren passieren leider viele Verletzungen.
Hier findest du Informationen zu den Risiken und auch was du Präventiv machen kannst bzw. wie es weitergehen kann, nachdem es schief gelaufen ist.
Ein Thema über das niemand gerne spricht, aber das zumindest kurz erwähnt werden soll um einen Überblick zu bekommen.
Vorerst eine gute Nachricht, denn die allgemeine Verletzungsrate reduzierte sich in den letzten Jahrzehnten massiv. Das zeigt dass optimierte Pistenbedingungen und Pistenabsicherungen, Sicherheitsausrüstung wie Helme und Rückenprotektoren auf alle Fälle schützen.
Jedoch gibt es auch eine schlechte Nachricht. Die Anzahl an Knieverletzungen ist kaum gesunken und macht 1/3 aller Verletzungen aus.
Hobby vs. Profi
Es gibt viele Unterschiede aber auch Gemeinsamkeiten bei Hobby- und Profi-SkifahrerInnen.
Ein paar Keypoints dazu findest du in der folgenden Tabelle:
Verletzungsmechanismus [2]
Für diesen Punkt könnte ich einen eigenen Bloggartikel verfassen, um es auch verständlich zu erklären.
Ich werde mich daher sehr kurz halten und nur die wichtigsten Punkte erwähnen. Wenn du mehr darüber wissen willst schreib mir einfach eine Email.
Über Videoanalysen konnten vor allem 3 Hauptmechanismen entdeckt werden, bei denen das vordere Kreuzband (ACL) reißt:
Slip Catch (siehe Foto unten)
passiert bei ca. 50% der vorderen Kreuzbandrissen
Charakteristisch ist, dass der Außenski nicht mehr belastet wird, der Innenski dann mit der falschen Kante Bodenkontakt bekommt und dadurch eine ruckartige Bewegung entsteht die zur Verletzung führt
Dynamic Snow Plow
Landung mit starker Rückenlage
Das sollte für einen kleinen Überblick genügen und wir kommen zu einem interessanterem und relevanterem Topic.
„Was soll ich jetzt machen? Muss ich mich operieren lassen?“: sind klassische Fragen nach einer Verletzung.
Das ist eine sehr schwierige Entscheidung, weil OP’s bekanntlich auch nicht immer gut ausgehen müssen.
Zusätzlich können mit OP’s hohe Kosten verbunden sein.
Hier findest du ein paar Punkte die helfen sollen mehr über das Thema zu wissen und zu verstehen, denn:
„Knowledge is Power!“ (Francis Bacon)
Aktivitätslevel
Es gibt natürlich einen großen Unterschied ob ich ein Hobby- oder Profisportler bin.
Ich will mich hier aber primär auf den Hobby oder auch Alltagsbereich beziehen.
Skala für Aktivitäten
1 | Springen, Pivoting, Hackenschlagen (Fußball, Basketball, American Football, …) |
2 | Seitliche Bewegungen (Skifahren, Tennis, …) |
3 | Leichte Aktivitäten (Laufen, Krafttraining) |
4 | Alltägliche Aktivitäten |
Mithilfe der Einteilung kann bereits vorweg eingeschätzt werden wie wichtig eine Operation des verletzten vorderen Kreuzbandes ist. Je höher die Anforderung (Level 1-2), desto eher profitiert man von einer Operation. Gleichzeitig muss man allerdings auch erwähnen, dass ich selbst Viele kenne die ohne Operation trotzdem Handball, Tennis oder Fußball spielen und dabei keine großen Probleme haben.
Also hilft uns die Einschätzung des Aktivitätslevels nur bedingt.
Coper vs Non-Coper
Die Begriffe bezeichnen 2 Patientenkategorien. Die Einen die auch ohne vorderes Kreuzband alle ihre Aktivitäten durchführen können. (Coper) Und Andere die sich ständig instabil und unsicher fühlen und daher die Verletzung nicht kompensieren können. (Non-Coper)
Wer hat die beste Chance eine Coper zu sein?
Es gibt ein paar Kriterien die man mittlerweile gefunden hat, die ein positives Outcome ohne Operation (vordere Kreuzbandrekonstruktion) wahrscheinlicher machen.
Dazu werden Fragebögen und Testungen durchgeführt und beim Erreichen von gewissen Limits gilt man als Coper.
Knee Outcome Survey - Activity of Daily Living | ≥ 80 |
Global Rating Score | ≥ 60% |
6 Meter Timed Hop | ≥ 80% im Seitenvergleich |
Anzahl der Giving Way Episoden | ≤ 1 bei Aktivitäten des Alltags |
Aber es ist auch folgendes sehr wichtig zu wissen, um sich für eine Operation direkt nach der Verletzung zu entscheiden oder abzuwarten.
Viele der Verletzten sind anfangs Non-Copers und leiden an Instabilität und Unsicherheit sobald sie das Bein belasten müssen. Viele sagen mir, dass sich das Knie anfühlt als würde es weg brechen.
Durch ein 5-wöchiges Trainingsprogramm schafft aber ca. jeder Zweite ein potentieller Coper zu werden und sich so besser zu fühlen.
1 Jahr später sind sogar 70% der Personen die zu Beginn Non-Copers waren „richtige“ Coper.
Präoperative Physiotherapie
Für diejenigen die sich für die Operation entscheiden ist es aber genau so wichtig eine präoperative Physiotherapie in Betracht zu ziehen. Auch wenn das Ziel nicht das Vermeiden der Operation ist profitiert jeder von einem Training vor der Operation.
Meine Erfahrung damit ist folgende:
Viele meiner Patienten haben zuvor noch nie wirklich Trainiert. Viele Übungen sind „fremd“ oder neu und selbst ohne Operation schon eine gewisse Herausforderung.
Nach der Operation ist die Wahrnehmung und Koordination meistens verändert und die selben unbekannten Übungen werden dadurch zur noch größeren Herausforderung. Durch ein paar Trainingseinheiten vor der Operation kann man die Übungen erarbeiten und auch besprechen, wie es nach der Operation weitergeht.
Denn sein wir uns mal ehrlich - wer hat ohne viel zu wissen nicht ein wenig Sorgen vor einer Operation? Viele meiner PatientInnen sind nach diesen Einheiten viel gelassener, wissen was auf sie zukommen wird und fühlen sich einfach bereit für das was kommt.
Weitere Abnützungen
Oft hört man, dass durch eine Verletzung des vorderen Kreuzbandes die Stabilität im Gelenk reduziert ist. Damit soll es zu mehr Bewegung und dadurch zu einer schnelleren Abnützung des Meniskus und des Knorpels führen.
Klingt doch relativ logisch oder?
Ja - ist aber nicht immer so.
Es gibt Hinweise darauf, dass Personen die eine Operation früh nach der Verletzung haben, mehr und schneller an Knorpel hinter der Kniescheibe abbauen.
Fun Fact:
Eine brand neue Studie konnte zeigen, dass 56% der Patienten die nur Physiotherapie gemacht haben 2 Jahre nach der Verletzung ein geheiltes vorderes Kreuzband haben.
„Wann kann ich wieder Sport machen?“: ist für Viele nach einer Verletzung/ Operation sicher eine der wichtigsten Fragen.
Prinzipiell muss man dabei festlegen um welchen Sport es geht. Es ist ein großer Unterschied ob ich wieder Krafttraining oder Laufen gehen will oder wieder ein Tennis- oder Fußballmatch machen will.
Zusätzlich gibt es einen Unterschied zwischen Return to Sport (RTS) und Return to Competition (RTC)!
RTS ist ein Teil der Reha, denn das Ende der Physiotherapie findet in Koordination mit den Trainern und Sportwissenschaftern direkt am Spielfeld statt.
RTC nach vorderer Kreuzbandoperation wurde vor ein paar Jahren noch mit einer Zeit von 6 Monaten angegeben. Doch mittlerweile zeigt sich, dass jedes zusätzliche Monat bis zu 9 Monate nach der Operation eine 50%ige Reduktion des Risikos für eine erneute Verletzung bringt.
Deshalb sollten Athleten jetzt frühestens 9 Monate nach der Operation wieder am Wettkampf teilnehmen.
ABER viel wichtiger sind weiterhin die Testkriterien für die Performance die jeder bestehen muss, um wirklich möglichst sicher in den Wettkampf gehen zu können.
Return to Ski
Eine gute Nachricht ist, dass im Vergleich zu anderen Sportarten die Rückkehr zum Skifahren sehr hoch ist. Im Durchschnitt steigen professionelle Athleten wieder 9,1 Monate nach der Operation in den Wettkampf ein.
Der Großteil der Verletzten schafft sogar auf das gleiche Leistungslevel zurück zu kommen und kann dieses oftmals sogar noch ausbauen.
Dieser Punkt ist sehr komplex und viele Faktoren spielen dabei eine Rolle! Wenn du mehr wissen willst kannst du mir einfach eine Email schreiben oder auf einen späteren Blogg Artikel warten indem ich mehr ins Detail gehen werde.
Prävention
Aus meiner eigenen „Rennkarriere“ kann ich auf alle Fälle folgendes empfehlen!
Bereite dich gut vor und probiere den Sommer zu nutzen, um richtig kräftig zu werden.
Egal wie fit man glaubt zu sein, die Belastung auf den Rücken und die Beine sind beim Skifahren um einiges mehr als man denk.
Woran das liegt ist einfach zu erklären:
Die Fliehkräfte in den Schwüngen spielen dabei eine große Rolle. Im Alltag und auch bei den meisten Sportarten kommen wir nie in Kontakt mit dieser Art von Belastung.
Die Dauer die man am Berg verbringt übertrifft jegliche anderen Sportarten. Kaum jemand sportelt mehrere Stunden am Tag für mehrerer Tage in Folge, wie es bei einem Skiurlaub der Fall ist!
Tipps und Ideen
Bereite dich vor! Trainiere regelmäßig als Vorbereitung deine Bein- und Rumpfmuskulatur und die Balance. Wenn du dazu Hilfe oder Ideen benötigst mach am besten eine präventive Physiotherapie.
Vermeide Ermüdung! Die meisten Verletzungen passieren unter Ermüdungszuständen, weil unser Körper nicht mehr schnell genug reagieren kann. Deshalb würde ich dir raten nicht zu lange zu fahren oder öfter Pausen einzulegen.
Vermeide Alkohol! Ich weiß dass es oft gemütlich ist in der Sonne zu sitzen und mit den Freunden ein Bier oder Glühwein zu trinken. Aber vergiss nicht, dass die Reaktionsfähigkeit nachlässt wenn man Alkohol trinkt. Kombiniert mit körperlicher Ermüdung kann das schnell zu einem Problem führen!
Witterung und Pistenverhältnisse! Diesen Punkt kann man selbst absolut nicht beeinflussen. Ich will dich damit nur aufmerksam machen, dass bei schlechter Sicht und/ oder schwierigen Pistenverhältnissen mehr Unfälle passieren. Sei deshalb umso konzentrierter und beachte an solchen Tagen die oberen Punkte umso strikter.
Ideales Material! Mit dem für dich passende Material kann man durchaus mehr Spaß und gleichzeitig ein geringeres Risiko haben. Wenn du deine eigenen Ski hast, bring sie mindestens 1x jährlich zum Service und lass auch die Bindung kontrollieren und einstellen. Ist die Bindung zu fest eingestellt, kann der Schutzmechanismus beim Sturz nicht ausgelöst werden und zur Verletzung führen.
Fazit
„Schifoan is des leiwaundste“ (Wolfgang Ambros)
Es ist eine hervorragende Freizeitaktivität die einem den Kopf völlig frei hält und dich eventuell auf neue Gedanken bringen kann.
Leider ist aber das Risiko sich zu verletzen vorhanden und die häufigste Verletzung betrifft das vordere Kreuzband im Knie. Nach der Verletzung stellt sich dann immer die Frage ob man sich einer teuren Operation unterziehen muss oder nicht. Viel deutet darauf hin, dass man zumindest in den ersten 5 Wochen sowieso mit einem Trainingsprogramm starten soll. Ein großer Teil der Verletzten braucht danach nicht zwingend eine Operation!
Ich rate Jedem, der in dieser Situation ist auch mehrere Meinungen einzuholen und sich selbst aktiv für einen Behandlungsweg zu entscheiden.
Egal welchen Weg man wählt - man muss sich auf viel Arbeit einstellen und hartnäckig im Training bleiben.
Um das Risiko zu minimieren gibt es ein paar ganz einfache Tipps die man befolgen kann. Auch wenn es vorerst lächerlich klingt, aber:
"Vorsicht ist besser als Nachsicht." (Ovid)
Meiner Meinung nach hat ein angepasstes präventives Trainingsprogramm den höchsten Stellenwert in der Vorbereitung auf die Skisaison. Man reduziert dabei nicht nur das Risiko sich zu verletzen sondern tut auch gleich was Gutes für die allgemeine Gesundheit.
Wenn du dir selbst nicht sicher bist was du genau trainieren sollst um den besten Erfolg zu haben, dann empfehle ich dir professionelle Hilfe zu holen und mit einem Sportphysio oder Sportwissenschafter einen Trainingsplan zu entwickeln der auf deine Bedürfnisse angepasst ist!
Siehe es als Investment in deine langjährige Gesundheit.
Hast du noch weitere Fragen? Dann schreib mir einfach eine Email oder einen Kommentar.
Danke an snow_and_flow_guiding für das Titelbild. Für mehr Aktion schaut auf Instagram vorbei.
Falls du einen Skiguide in Lech oder Mountainbike-Guide in Innsbruck oder Nähe Gardasee braucht, Florian ist die ideale Ansprechperson.
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